Europa: Die verlorene Zukunft
März 2014
Eva Herman
Ein unheimliches Phänomen hat Europa gepackt: Seit mehreren Jahrzehnten werden zu wenige Kinder geboren, die Geburtenrate sinkt kontinuierlich. Auch wenn das Thema in den Medien meist noch verharmlosend behandelt wird, so geht es in Wirklichkeit längst um alles oder nichts: Die Zukunft des gesamten Kontinents ist gefährdet, Europa stirbt aus. Und während der Großteil der EU-Funktionäre das Sterben der Gesellschaft als »Multi-Kulti-Chance« bezeichnet und zudem regelmäßig von »Übervölkerung der Erde« schwatzt, ahnen langsam immer mehr Bürger, dass sie selber gerade der Auslöschung ihrer eigenen Hochkultur beiwohnen, ein Schicksal, wie es einst auch Rom, das antike Griechenland oder das alte Ägypten ereilte.
Der Demografie-Kollaps ist die größte Katastrophe unserer heutigen Zeit. Eine Gesellschaft, die schnell altert, hat keine Zukunft. Die zunehmende Geschwindigkeit, in der die Schrumpfung stattfindet, verringert die Gesamtzahl der gebärfähigen Frauen jedes Jahr weiter: Kinder, die nicht geboren wurden, bekommen keine Kinder. Der Überschuss von Gestorbenen gegenüber den Geborenen wird sich nun jedes Jahr erhöhen. In Deutschland und Österreich leben schon mehr über 65- Jährige als unter 25- Jährige. Die damit verbundene Erosion der Familie und die fortschreitende Vergreisung müssen unser Gemeinwesen dauerhaft schwächen. Eine kraftvolle Zukunft ist nicht möglich, denn Vitalität und Dynamik sind Eigenschaften der Jugend: Wir werden sie bald nicht mehr haben.
Weniger Kinder bedeuten weniger Produktion, weniger Leben, weniger Reichtum. Weniger Kinder bedeuten mehr alte Menschen, die vornehmlich auf Besitzstandswahrung und Verwaltung, und nicht auf die für junge Menschen typischen Merkmale wie Innovation, Kreativität und Investition ausgerichtet sind. Weniger Kinder bedeuten auch: Stetig sinkende, weil nicht mehr notwendige Herstellung von Kinderartikeln aller Art, sukzessive Schließungen von Kindereinrichtungen, Entlassungen von Lehr- und Erziehungspersonal, weniger Schul- und Hochschuleinrichtungen, weniger Handy- und PC- Produktion, später weniger Wohnungen, Häuser, Autos usw. Zudem Rückgang der Telekommunikations- und Informationstechnik (Innovation), abnehmendes Verständnis für Themen junger Leute, hingegen öffentliche Hinwendung zu Alter, Krankheiten und Verhinderungsmethoden derselben. Ab- und Auswanderung von jungen Akademikern, Informatik-Fachleuten und weiterer Eliten in die Großstädte oder ins Ausland. Verödung ganzer Landstriche, vor allem im ländlichen Bereich. Zunehmende Zuwanderung in großräumige Ballungsgebiete, etwa die Hälfte aller Deutschen leben bereits in kinderunfreundlichen Großstädten, in der eine wachsende Single- und Partykultur zum Alltag gehören, Kindereinrichtungen jedoch geschlossen oder nicht erlaubt werden wegen störenden Kinderlärms.
Eine Gesellschaft, die nicht mehr genügend Kinder hervorbringt, entwickelt sich von einer Wir-Kultur zu einer Ich-Kultur. Eine Gesellschaft, die veraltet, verlängert den Reifeprozess, sie vertagt Eheschließungen, sie vertagt Kinder, sie vertagt Gemeinschaft, sie vertagt die Liebe… Eine Gesellschaft, die zunehmend mehr alte als junge Menschen aufweist, entwickelt sich vom Leben zum Sterben.
Seit Beginn der siebziger Jahre wird über die Ursachen der Demografie-Krise geforscht. Doch die Erkenntnisse von Politik und Medien scheinen nicht wesentlich erhellt. Immer noch glaubt man, alleine mit der »Krippen-Bildungsoffensive« dem Problem entgegentreten zu können, damit mehr Mütter in die Erwerbstätigkeit kommen. Das Ergebnis: Die Geburten sinken weiter! Vor allem Frauen der Bildungsgesellschaft verweigern zunehmend die Mutterschaft. Je mehr Frauen ihre Identität hauptsächlich mit der Berufstätigkeit verbinden, desto geringer ist ihre Bereitschaft, Kinder in die Welt zu setzen. Bei den Männern ist das Identitätsmuster noch stärker ausgeprägt. Ihr Kinderwunsch liegt unter dem der Frauen (ca. 50 Prozent gegenüber 45 Prozent bei Akademikerinnen).
Doch befragt man so manche ernsthaften Bevölkerungsexperten, die nicht auf einer staatlich geförderten Lohnrolle stehen, so findet man Analysen, die in eine ganz andere Richtung weisen als die politisch korrekten Darstellungen: Die moderne Frau von heute, die durch Geldzuwendungen alleine nur unterstützt und gefördert wird, indem sie erwerbstätig ist, und von der dies inzwischen allgemein wie selbstverständlich erwartet wird, muss sich zwangsläufig vom Familien- und Gemeinschaftsleben abwenden. Kinder werden zum unkalkulierbaren Risiko. Solange mit einer oder mehreren Geburten der Verarmung und Ausgrenzung Vorschub geleistet wird, solange werden Kinder verhindert. Die individuelle Entscheidung einer Frau dagegen, in den ersten Jahren bei ihrem Kind zu Hause zu bleiben (fast 60 Prozent der Europäerinnen wollen dies, bei ausreichender finanzieller Sicherheit), ist kaum noch möglich: Sie bezahlt die Entscheidung mit drastischen Finanzausfällen, mit gesellschaftlichen Benachteiligungen, mit mangelnder Unterstützung von Politik und Wirtschaft: Sie wird massiv diskriminiert. Und genau das muss geändert werden!
Die Zahl der Frauen, die kinderlos bleiben, nimmt stetig zu. Gleichzeitig fördern Familienpolitik und Unternehmen in einer nie da gewesenen Weise die weibliche Erwerbstätigkeit und setzen voraus, dass das Kind – von Kindern ganz zu schweigen – wie ein Nebenprodukt erworben und fremd betreut wird. Nicht das Kind, nicht die Familie, gar die Ehe spielen eine Rolle, sondern alleine die Arbeit im globalen Wettbewerb.
Fast mutet es wie ein unheimlicher Plan an, der die Wahrheit einfach nicht zulassen soll, denn so begriffsstutzig können unsere Politiker und Medien doch nicht sein, oder? Wie auch immer, solange diese lebensvernichtende Geisteshaltung vorherrscht, solange der Vorzug alleine dem Materialismus gegeben wird und damit eine auf Mitmenschlichkeit, Verantwortung, Nachhaltigkeit und Nächstenliebe beruhende Gesellschaft verhindert und zerstört wird, solange wird sich an der rasanten, demografischen und damit unserer letzten Talfahrt nichts ändern. Es bleibt dabei: Europa stirbt – und keinen störts!
Dieser Artikel erschien zuerst bei der „Stimme Russlands“
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