Demokratie: Das verzweifelte Ringen um Freiheit
Juni 2014
Eva Herman
Häufig wird in diesen Zeiten von der Demokratie gesprochen. Politiker beschwören sie täglich, die meisten bauen gar ihre Daseinsberechtigung mit dem Gelöbnis auf, stets für Demokratie sich einzusetzen. Das Volk nickt zufrieden, das klingt gut, denken die Leute. Doch was meinen die Herrschenden damit eigentlich? Wollen Sie tatsächlich das individuelle Recht des Einzelnen auf größtmögliche Freiheit erreichen?
Seit Jahrhunderten gehen die Menschen auf die Straße, kämpfen für mehr Demokratie. Doch haben sie den Begriff verstanden? Wissen sie, für was sie eintreten? Für was brauchen wir sie denn, die sogenannte Demokratie? Bedeutet sie Gerechtigkeit? Eigenbestimmung? Und wie definiert unsere Regierung in Berlin oder die hohen Herrschaften in der EU-Zentrale Brüssels den Begriff? Geht es ihnen um das Wohl der Menschen? Und warum klingt das alles so kompliziert?
Fakt ist: Der Begriff Demokratie ist im Meer der Deutungen längst zerflossen wie die Milch im Kaffee. Jeder benutzt das Wort, wie es ihm gerade für das jeweilige politische Programm taugt. Die Bolschewiken nahmen den Begriff vor über hundert Jahren für sich in Anspruch, sie waren der Ansicht, dass politische Demokratie auf lange Sicht unmöglich sei ohne „wirtschaftliche Demokratie.“ Womit nichts anderes als die Abschaffung des privaten Besitzes gemeint war. Und so wurde von dieser Seite der Begriff Demokratie vertreten mit durchaus gewaltbereiten Methoden, um „eine bessere Welt“, die klassenlose Welt, herzustellen.
Demokratie: Wichtig ist in der richtigen Deutung die individuelle Freiheit des Einzelnen, während dem Staat eine untergeordnete Rolle zukommt. Schauen wir uns jene Staaten an, die den Begriff in ihre Länderbezeichnung integrierten: Bis 1989 gab es die Deutsche Demokratische Republik (DDR), bis heute die Demokratische Volksrepublik Korea, besser bekannt als Nordkorea: In beiden Fällen liegt zweifellos eine kollektive, in höchstem Maße unfreiheitliche Version vor: Es handelt sich um totalitäre, autoritäre Regimes.
Wie sieht es mit Deutschland aus, welches sich im Prinzip, wie sämtliche EU-Länder, nicht mehr autonom deuten lässt, sondern im Spiegel der Europäischen Union betrachtet werden muss: Sehen wir uns den Vertrag von Lissabon an, die letzte Fassung des EU-Vertrags von 2007. Dieser enthält 55 Artikel, in denen, wie es heißt, „insbesondere die Bestimmungen zu den demokratischen Grundsätzen der Europäischen Union, zu ihren Organen, und zur Gemeinsamen Außen-und Sicherheitspolitik niedergelegt sind“. Unterschieden wird im EU-Vertrag zwischen der „direkten Demokratie“ und der indirekten Demokratie“. Wie schon gesagt, je komplizierter man die Auslegungen gestaltet, umso besser funktioniert die Begriffsverwirrung.
Was bedeuten also die Begriffe „direkte Demokratie“ und „indirekte Demokratie“? Direkte Demokratie habe zwei Bedeutungen: „Sie bezeichnet zum einen eine Herrschaftsform, in der die Macht direkt vom Volk in Abstimmungen ausgeübt wird“. Und: „Sie bezeichnet zum anderen einzelne politische Entscheidungsverfahren, bei denen das Volk unmittelbar über Sachfragen abstimmt, in einer ansonsten indirekten Demokratie“.
Dieser Hinweis ist insofern spannend, als es sich im EU-Führungskader nicht um von den Völkern gewählte Vertreter handelt, sondern meist um global führende Bankenvertreter, die, je nach Beziehungsstatus, in ihre Positionen kommen. Das derzeitige Ringen um den Posten des neuen EU-Kommissars ist ein lebendiges Beispiel für die heutige Auffassung von Demokratie.
Unter der indirekten Demokratie versteht man in Europa folgendes: In dieser Herrschaftsform „werden politische Sachentscheidungen im Gegensatz zur direkten Demokratie nicht unmittelbar durch das Volk selbst, sondern durch Abgeordnete getroffen“.
Nein, diese Deutungen helfen uns nicht wirklich weiter auf der Suche nach mehr Freiheit, in diesem verzwickten politischen System. Denn auch wenn die undurchsichtigen Erklärungen irgendwann verstanden werden, so wird schnell klar, dass die Macht nicht bei den Bürgern, sondern beim Staat, also den Herrschenden liegt. Beim Durchlesen des Lissabon-Vertrags wird man den Verdacht nicht los, dass eine Menge Kalkül hinter den nebulösen Ausführungen stecken könnte. Vielleicht sollen wir das alles ja gar nicht verstehen? Denn nur, wer durchblickt, kann Fehler im System erkennen. Wer sich zu dumm fühlt, schweigt lieber, um nicht entblößt zu werden.
Hören wir dazu den berühmtesten Redner des antiken Rom, den Politiker Cicero. Hier finden wir die ursprüngliche Form des Begriffs Demokratie, noch unverbogen von den Spuren sämtlicher Zeiten. Nach dessen Ausführung besticht die Herrschaftsform der Demokratie durch die Freiheit, welche die Bürger in ihr genießen. Die Menschen sollen über ihr Geschick selbst entscheiden, und nicht etwa die Mächtigen:
„Und so ist eben jeder Staat, wie entweder der Charakter oder der Wille desjenigen, der ihn regiert. Darum hat die Freiheit in keinem anderen Staat ihre Heimat, als wo das Volk der Souverän ist. Sie ist für den Menschen jedenfalls der süßeste Genuss; aber sie verdient diesen Namen nicht, wenn sie nicht mit Gleichheit (der Rechte) verbunden ist“.
An dieser Stelle beschreibt Cicero die süße Ernte der wahren Demokratie für jeden einzelnen Menschen: „Verstehen aber die Völker, ihre Rechte zu behaupten, da erklären Sie sich in ihrem Selbstgefühl für die edelsten, freiesten und beglücktesten, da ja von ihrem Willen Gesetze, Gerichte, Krieg, Frieden, Bündnisse, Leben und Gut eines jeden abhängen. Daher sagt man, ein Volk erkämpfte sich die Freiheit, wenn es sich von Königsherrschaft und Aristokratengewalt losmache; nie aber trachten freie Völker danach, Könige zu bekommen oder mächtige und einflussreiche aristokratische Häupter“.
Heute muss man lange suchen, um sachdienliche Hinweise für die Begriffsdeutung der Demokratie zu finden. Der niedersächsische Makro-Ökonom Andreas Popp von der deutschen Wissensmanufaktur liefert Schlüssiges. Er bezieht sich bei seinen Forschungen auf die alten Griechen, untersucht aus diesem Verständnis heraus auch weitere, wichtige Wortdeutungen wie „Bürger“ oder „Volk“, was einen eigenen Artikel wert wäre. Demokratie ist, so Popp, ein aus zwei Wortteilen zusammengesetzter Begriff: „Demos heißt übersetzt das Dorf, und nicht, wie oft behauptet, das Volk. Kratein könnte man am besten mit herrschen übersetzen“. Also handelt es sich bei dem Begriff Demokratie in Wahrheit nicht um die „Herrschaft des Volkes“, sondern um ein Dorf, welches sich selbst verwaltet. Seine daraus resultierenden Vorschläge für ein stimmiges Zukunftssystem, Plan B genannt, klingen logisch.
Eine kleine, autarke Gruppe in ihrer ganzen Selbstbestimmung! Hier liegt der Schlüssel für die wahre Freiheit des Menschen! Leider sind wir heute Lichtjahre von dieser edlen Form entfernt, wir ließen uns einspinnen in ein riesiges Konstrukt der Begriffsverwirrung. Der erste Schritt, der uns herausführt, ist das Erkennen der Fehler. Wär es nicht schön, wenn wir nun langsam lernten, die Begriffe richtig zu deuten? Dieser Verantwortung kommt heute nämlich ein Höchstmaß an Wichtigkeit zu!