Minister Gabriel: Yücel ist ein »deutscher Patriot«
Eva Herman
Nein, wir sollten die Sache nicht bewerten. Das bringt nichts mehr. Doch es wird immer spannender, was im Land der »Köterrasse« jetzt schon so alles möglich ist. Da bezeichnet Außenminister Gabriel gegenüber dem umstrittenen Heute-Journal-Moderator Claus Kleber in einem Interview den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, den Ankara seit Wochen wegen Terrorpropaganda in U-Haft festhält., als »deutschen Patrioten mit türkischen Wurzeln«. Gabriel scheint Yücels Aufsätze nicht zu kennen, in denen der linksradikale taz-Journalist sich z.B. schon riesig auf den »baldigen Abgang der Deutschen« freute, da dieser »Völkersterben von seiner schönsten Seite« ist.
Ich hatte noch einmal nachgeschlagen, weil ich es nicht glauben konnte: Yücel ist ein »deutscher Patriot«? Erstens darf man den Begriff deutscher Patriot heutzutage doch schon nicht mehr aussprechen, um nicht gleich schon wieder als Nazi! bezeichnet zu werden. Aber Gabriel ging das ganz locker über die Lippen: »Yücel ist ein deutscher Patriot«! Selbstverständlich trifft der Mann diese Aussage nicht als Privatperson am Stammtisch, sondern er nimmt in einer Hauptnachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, als Vertreter der Bundesregierung, als deutscher Bundesaußenminister, hochoffiziell Stellung. Ein Schnitzer? Oder Propaganda?
Der Ausdruck Patriot bezeichnet vor allem einen Menschen, der sein Vaterland liebt
Halt mal, ein Patriot ist doch jemand, der sein Vaterland liebt, also Nationalstolz besitzt, oder ist das jetzt auch schon anders geworden? Wir schlagen zur Sicherheit lieber noch mal nach. Bei Wikipedia am besten, da dies als amtlich politisch korrekt betrachtet werden darf. Ja, richtig, da war die Neu-Sprech-Polizei offenbar noch nicht dran: »Der Ausdruck Patriot bezeichnet vor allem einen Menschen, der sein Vaterland liebt. Als Patriotismus wird eine emotionale Verbundenheit mit der eigenen Nation bezeichnet. Im Deutschen wird anstelle des Lehnwortes auch der Begriff »Vaterlandsliebe« synonym verwendet«.
Deniz Yücel ist also ein deutscher Patriot? Der demnach Deutschland liebt, also Vaterlandsliebe empfindet? Der Reihe nach. Für Deniz Yücel macht sich die bundesdeutsche Regierung und Presse unter Merkel & Gabriel ja in letzter Zeit ziemlich stark. Der Mann wird seit Wochen in der Türkei festgehalten. Inzwischen sitzt er in Untersuchungshaft. Ihm werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung (gegen die Türkei) vorgeworfen. Der türkische Präsident Erdogan bezeichnet Yücel gar als Agenten, der gegen die Türkei arbeite. Gegen die Türkei also auch.
Dass Yücel ein türkischer Patriot ist, können wir damit ausschließen. Der Vorwurf lautet schließlich unter anderem Volksverhetzung. Aber das hat Gabriel ja auch nicht behauptet, sondern er nannte Yücel, der in Flörsheim am Main als Sohn türkischer Arbeitsmigranten geboren wurde, eben einen »deutschen Patrioten mit türkischen Wurzeln«. Ach, ja? Wirklich? Ich kann es immer noch nicht glauben.
Nun, Herr Gabriel, dann wollen wir einmal gemeinsam ganz kurz weiterschauen. Deniz Yücel, den Sie in dem Kleber-Interview ja auch als »Brückenbauer« bezeichneten, ist kein unbeschriebenes Blatt in Deutschland. Das werden Sie doch wissen, da Sie sich ja schon seit einiger Zeit mit dem Fall beschäftigen müssen. Und da dies eine diplomatisch hoch diffizile Angelegenheit ist, darf Ihnen da auch kein Schnitzer unterlaufen. Weswegen ich mich einmal mehr über Ihre Wortwahl wundere.
Kurze Info: Seit 1999 ist Yücel als freier Autor für Jungle World, konkret, den Tagesspiegel, die Jüdische Allgemeine, qantara.de, die taz, die Süddeutsche Zeitung, amnesty journal, den Standard, Blond sowie den BR, NDR und den WDR tätig. Seit 2015 ist Yücel Türkei-Korrespondent der WeltN24-Gruppe.
In einem taz-Artikel vor ein paar Jahren schrieb der der »deutsche Patriot« Yücel, der wegen Volksverhetzung von der türkischen Regierung in Untersuchungshaft verbannt wurde, folgendes unter der Überschrift:
Super, Deutschland schafft sich ab!
»Endlich! Super! Wunderbar! Was im vergangenen Jahr noch als Gerücht die Runde machte, ist nun wissenschaftlich (so mit Zahlen und Daten) und amtlich (so mit Stempel und Siegel) erwiesen: Deutschland schafft sich ab! (…) Besonders erfreulich: Die Einwanderer, die jahrelang die Geburtenziffern künstlich hochgehalten haben, verweigern sich nicht länger der Integration und leisten ihren (freilich noch steigerungsfähigen) Beitrag zum Deutschensterben.«
Unter der Zwischen-Überschrift
Volkssportarten: Jammern und Ausländerklatschen
schrieb der Mann, der mit Deutschland angeblich emotional tief verbunden sein soll, weiter: »Noch erfreulicher: Die Ossis schaffen sich als Erste ab. Während im Westen die Zahl der Minderjährigen in den vergangenen zehn Jahren um 10 Prozent gesunken ist, ging sie im Osten um 29 Prozent zurück. Die Sandys, Mandys und Jacquelines pfeifen auf das neue deutsche Mutterkreuz (»Elterngeld«) und tragen nach Kräften dazu bei, dass den ostdeutschen Volkssportarten Jammern, Opfersein und Ausländerklatschen in absehbarer Zeit der Nachwuchs ausgehen wird.«
Tja, da scheint es doch zum Begriff der Vaterlandsliebe ganz unterschiedliche Auslegungen zu geben. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte in dem betreffenden ZDF-Heute-Interview am 7.März 2016 übrigens wörtlich:
»Ich finde dies Schicksal von Herrn Yücel ist deshalb so beeindruckend, weil er, na, ja, er ist ein deutscher Patriot mit türkischen Wurzeln. Er ist jemand, der auch einen türkischen Pass hat, er ist seinem Heimatland auch eng verbunden, aber er ist irgendwie genau das, was in Deutschland in den letzten Jahrzehnten passiert ist, nämlich Kinder von Arbeitsmigranten, die gut integriert sind, die dieses Land kennen, die aber ihre Wurzeln in der Türkei nicht verlieren wollen. Eigentlich sind solche Menschen Brückenbauer zwischen unseren beiden Ländern«.
Was soll man da noch sagen? »Eigentlich sind solche Menschen Brückenbauer zwischen unseren beiden Ländern«. Wirklich, Herr Gabriel? Der Brückenbauer sitzt in U-Haft wegen Volksverhetzung, – nun gut, hierzulande noch nicht…
Lassen wir Denis Yücel diesen taz-Artikel weiter ausführen, und uns selbst unsere Gedanken dazu machen, wenn der »deutsche Patriot« über Deutschlands Schicksal schreibt: »Woran Sir Arthur Harris, Henry Morgenthau und Ilja Ehrenburg gescheitert sind, wovon George Grosz, Marlene Dietrich und Hans Krankl geträumt haben, übernehmen die Deutschen nun also selbst, weshalb man sich auch darauf verlassen kann, dass es wirklich passiert. Denn halbe Sachen waren nie deutsche Sachen (»totaler Krieg«, »Vollkornbrot«); wegen ihrer Gründlichkeit werden die Deutschen in aller Welt ein wenig bewundert und noch mehr gefürchtet«.
Wir wollen nichts kommentieren, schön sachlich bleiben. Damit kommt man in der heutigen Zeit einfach weiter. Ein anderer, nicht weniger Aufsehen erregender Artikel unseres »deutschen Patrioten« erschien ein Jahr später. So hatte Yücel vor einigen Jahren die linke Kolumnistin der Frankfurter Rundschau, Mely Kiyak, unterstützt, die den Buchautoren Thilo Sarrazin (Deutschland schafft sich ab) als »lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur« bezeichnet hatte.
Hetze gegen Sarrazin: »Der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten«
Kiyak war deswegen heftig angegriffen worden, worauf sie beteuert hatte, sie habe von Sarrazins halbseitiger Gesichtslähmung nichts gewusst. Wir lesen bei Wikipedia (Wir nehmen jetzt am besten immer Wikipedia, um politisch korrekt auch immer sauber zu bleiben) hierzu: »In Reaktion darauf griff Yücel Kiyaks Formulierung in seiner Kolumne »Das ist nicht witzig« auf und schrieb, dass man die Bezeichnung dennoch verwenden könne und man Sarrazin „nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten«.
Hierzu hatte der Deutsche Presserat schließlich eine Missbilligung ausgesprochen. »Es sei unvereinbar mit der Menschenwürde Sarrazins, ihm eine schwere Krankheit oder Schlimmeres zu wünschen, und stellte fest, dass der Beitrag über eine kritische Meinungsäußerung weit hinausgehe. Einer Klage Sarrazins wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte gab das Landgericht Berlin statt und untersagte der taz, den Text weiter zu veröffentlichen und zu verbreiten. Sarrazin wurde eine Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro zugesprochen.« (Wikipedia)
Ja, das ist die Geschichte des »deutschen Patrioten mit türkischen Wurzeln«, Denis Yücel, der Deutschland doch nicht so zu lieben scheint, wie Gabriel es amtlich im Fernsehen verkündete. Vielmehr scheinen es Hass und Missachtung zu sein, die der Mann für uns hegt. Für den sich die deutsche Bundesregierung derzeit jedoch mächtig ins Zeug legt. Warum eigentlich? Angesichts dieses unerklärlichen Vorgangs braucht man sich nicht mehr zu wundern, dass Ankara mit Deutschland derart umspringt, wie es gerade geschieht.
Der türkische Präsident Erdogan wirft Deniz Yücel Volksverhetzung gegen die Türkei vor. In Deutschland wurde Yücel von diesem Vorwurf übrigens bislang tatsächlich verschont. Mit der jüngsten Aussage des Bundesaußenministers dürfte diese Gefahr auch ein für allemal gebannt sein.
Das ZDF-Heute -Interview zwischen Kleber und Gabriel mit der entsprechenden Aussage findet man zwischen min. 08:00 und 11:00
Bildnachweis: Screenshot
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