Der Zahn der Zeit
Mai 2016
Eva Herman
Kürzlich gab ich der Reporterin eines bekannten Radiosenders Deutschlands ein Interview. Die Frau kam von den Öffentlich-Rechtlichen und arbeitete noch ähnlich, wie es vor zwanzig, dreißig Jahren üblich gewesen war: Sie war mit dem Zug angereist und hatte ihr Aufnahmegerät dabei. Eine sympathische Person der alten Garde, die sich bei mir angemeldet hatte mit dem Vorhaben, eine Reportage über den Feminismus zu machen. Sie selbst stehe diesem Politikmodell sehr positiv gegenüber, früher sei sie für die Rechte der Frau auf die Straße gegangen. Von mir erwartete die Mittvierzigerin eine Gegenposition.
Als sie die ersten Fragen formulierte, war es bereits zu spüren: Sie meinte es ernst, sah die Forderungen der modernen Frau immer noch nicht ausreichend erfüllt. Gleichzeitig verlieh sie ihrer Verwunderung Ausdruck, dass die jungen Frauen heutzutage immer wieder in die alte „Rolle“ zurückfielen.
Ich gebe zu, dass mein Medienkonsum sich in den letzten Jahren stark verändert hat. So ist es mir nicht mehr möglich, Essays oder Artikel zu Ende zu lesen, die sich mit diesen oder anderen politischen Gegenwartsthemen beschäftigen, da mir die Mainstreampositionen inzwischen derart wirr erscheinen, dass mir meine schöne Zeit viel zu schade ist. Auch einen Fernseher besitze ich nicht, allein die zahllosen, quälenden TV-Talkshows zeigen, wie wenig der einzelne Mensch heute noch selbst zu denken und empfinden in der Lage ist: Alles wird aus einseitiger Perspektive betrachtet, manche Gegenredner in unrühmlicher Weise angegriffen. Ich hatte also lange nichts von den aktuellen, feministischen Forderungen gehört.
Nun denn, die „alte Rolle“ der Frau sei es, so die Journalistin, dass diese trotz aller erkämpften „Rechte“ immer wieder in das Muster der Mutter und Hausfrau zurückfiele, gerade bei den jungen Menschen sei dies deutlich erkennbar. Woran dies wohl liegen könnte?
Sollte ich etwa jetzt wieder ganz von vorne anfangen in den Erklärungen? Offenbar. Und so sprachen wir schon bald über die Natur, über den Schöpfer, der nach einem genialen Plan Mann und Frau erschuf, die er in der Ergänzung ihrer Fähigkeiten zu einer Gemeinschaft zusammenschloss, damit jeder seine speziellen Begabungen in sinnvoller Weise für ein gelungenes Leben einsetzen möge. Doch als die Menschheit begonnen hatte, sich eigenwillig über die feststehenden Grundgesetze der Natur hinwegzusetzen, weil sie meinte, immer fortschrittlicher und moderner zu sein, begann ihr Leidensweg: Die natürliche Ordnung auf dieser Erde wurde ausgehebelt, Verwirrung und Chaos entstanden.
Es war der berühmte Tunnelblick, der sich bei der freundlichen Frau alsbald einstellte, wie ich es in derartigen Diskussionen seit Jahren erlebe, eine Art innere Schau; vielleicht war es die uralte Melodie von den einfachen Gesetzen unseres Schöpfers und der unmittelbaren Wirkung darauf, sobald wir diese besserwisserisch verlassen?
Die jungen Frauen von heute haben wenig mitbekommen von den Kämpfen vorheriger Generationen, die sich einst für alle möglichen „Frauenrechte“ einsetzten, auch wenig von dem geschürten Widerstand gegen die Männer, die, wie Deutschlands meist schwarzgekuttete Vorprescherin Alice Schwarzer es jahrzehntelang der Welt vermittelte, entweder schlurfige Weicheier oder gewaltbereite Machos seien. Nein, junge Frauen stehen heute vor einer merkwürdig atomisierten Welt, wo kaum jemand noch in seine eigene Kraft kommen und daraus wirken kann. Sie sollen wie selbstverständlich studieren, eine Ausbildung absolvieren, und dann sollen sie Erfolg haben, ihr eigenes Geld verdienen, vor allem unabhängig sollen sie sein, vom Mann und auch von eventuellen Kindern. Letztere gibt man heute ebenfalls ganz selbstverständlich in die Fremdbetreuung, manchmal sind die Kleinen erst wenige Wochen alt.
Da unsere Gesellschaft dies alles wie selbstverständlich akzeptiert, sogar vorschreibt, da über diese Themen stets auch nur einseitig berichtet wird in den Medien, ist dieses Verhalten mittlerweile zu einem ungeschriebenen Gesetz geworden, unter welchem die jungen Frauen schwer leiden (Männer und Kinder übrigens gleichermaßen, wie auch die Unternehmen). Die meisten leiden, ohne genau zu wissen, wo die Ursache liegt, sie spüren nur das Unglück, welchem sie nicht mehr entkommen können in dieser so modernen Gesellschaft, wo nur noch in Geld bewertbare Leistung zählt, und wo eine Gegenrede inzwischen zu einem unkalkulierbaren Abenteuer geworden ist.
Die heutige Lage ist bestes Beispiel dafür, in welch verhältnismäßig kurzer Zeit eine ganze Gesellschaft durch gezielte Propaganda umerzogen und abgerichtet werden kann. Doch so lange sich im Innern der Menschen noch Widerstand regt, könnte man von dem berühmten Fünkchen Hoffnung sprechen, welches in diesem Lande vor sich hinglimmt. Was hatte ich vor zehn Jahren schon gehofft, dieses Fünkchen würde sich zu einer ansehnlichen Flamme entwickeln, so, wie schon so manche echte Revolution im Laufe der Geschichte für eine Umkehr sorgte.
Die Reporterin, die zuweilen nachdenklich erschien, fragte nach Lösungen. Ich musste passen, denn Einzellösungen gibt es ja nicht mehr, ein radikaler Systemwechsel in der Familienpolitik, wie ich ihn vor Jahren noch gefordert hatte, genügt ebenso längst nicht mehr. Zu verzahnt sind sämtliche gesellschafts-und finanzpolitischen Belange unserer globalen Welt, die alleine nur noch nach dem Prinzip des Umverteilungsmechanismus von fleißig nach reich funktioniert: Die vielen fleißigen Menschen arbeiten wie verrückt, sorgen für ein Produktivitätswachstum, welches alle zwanzig Jahre eine Steigerung von etwa 35 Prozent ausmacht, und erhalten dabei doch immer weniger Geld. Dieses landet vielmehr in dem immer stärker anwachsenden, globalen Kapitalsammelbecken einiger weniger Menschen, die sich unsere Welt gerade „untertan machen wollen“.
Und nun? Was könnten die Frauen jetzt tun, damit es besser wird, war die Frage? Sie müssen gar nichts mehr machen, so die Antwort, denn die Veränderung der Gesellschaft ist schon in vollem Gange, aber auf ganz andere Weise. Seit letztem Jahr werden die europäischen Länder, allen voran Deutschland, mit „Flüchtlingen“ geflutet, die, nach UN-Angaben, die Wirtschaft des aussterbenden Kontinents retten sollen. Im Gegensatz zu uns, die wir die niedrigste Geburtenrate der Welt haben, auch aufgrund ausgeprägter, feministischer Ideologien, können die aus Arabien und Afrika einreisenden Menschen mit jeweils mehreren Kindern pro Paar bestens ihre Art für die Zukunft erhalten. Nach dem Gesetz der Stärke werden sie hier schon bald in der Mehrheit sein.
Da die meist muslimisch geprägten Menschen vom Feminismus wenig wissen, im Gegenteil, die Rechte der Frauen dort oft missachtet werden, wird sich diese politische Debatte bald erledigt haben. Spätestens, wenn unsere Enkelkinder verschleiert zur Schule gehen werden, wird der Begriff Feminismus endgültig in den Archiven der Geschichte verschwunden sein. Dann wird die Gesellschaft über ganz andere Themen diskutieren, von denen man heute noch nicht einmal den Hauch einer Ahnung hat.
Ich nehme an, die Journalistin kam gut wieder nach Hause. Das Gespräch war wahrscheinlich anders gelaufen, als sie es sich gedacht hatte.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Preussischen Allgemeinen Zeitung
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