Deutschland, „trojanischer Esel der Nato“?
Oktober 2015
Eva Herman
Es sind unfassbare Bilder, die sich unseren Augen in diesen Monaten alltäglich auftun: Ströme tausender, zehntausender, fremdländisch wirkender Menschen, die täglich –von Osten und Süden her – nach Europa herein kommen. Sie wollen bleiben. Sie machen vor Grenzen nicht Halt, schrecken vor Mauern, Meeren und Flüssen nicht zurück, sie bezahlten abertausende Dollar, verschmutzten Wüstencamps oder ihrer Heimat entfliehen zu können.
Dort ist vieles zerstört, die Infrastrukturen wurden durch Bomben, Granaten und Todesschwadronen vernichtet, Dörfer, Städte, dem Erdboden gleichgemacht. Notleidende Menschen also? Gewiss, es sind etliche darunter, und jeder ist einer zu viel. Mit ihnen wollen wir uns hier beschäftigen.
Wer sich fragt, warum sie, wie durch ein geheimes Kommando ausgelöst, allesamt vor nicht einmal einem Jahr die Flucht begannen, und nun immer mehr werden, der landet schnell bei der UNO.
Die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen hat Ende 2014 die Unterstützung für Millionen Flüchtlinge um vierzig bis sechzig Prozent gekürzt. Erhielt ein syrischer Flüchtling in einem jordanischen Lager letztes Jahr noch etwa 31 Dollar pro Monat, so wurde diese Summe von einem Tag auf den anderen auf knapp vierzehn Dollar gekürzt: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Die Kosten für einen Flüchtling hier in Deutschland reichen jedoch aus, um mehr als hundert Flüchtlinge in der Heimat überleben zu lassen.
Etwa zeitgleich mit den Kürzungen begannen erste Gerüchte die Runde dort, im fernen Arabien und Afrika, zu machen: Die Hoffnung der Menschen wurde genährt durch viele Falschinformationen, die sie schließlich zum Aufbruch ermunterten: In Deutschland erhält jeder ein Haus, in Deutschland ist genug Geld und Platz für alle da, und in Deutschland wartet eine treusorgende Kanzlerin, Mutti Merkel, die allen weltweiten Flüchtlingen helfen will.
Helfen? Ach, ja? Warum wurde den Menschen eigentlich nicht dort, vor Ort geholfen, indem man ihnen die monatlichen UN-Zuwendungen ließ? Und gleichzeitig, hätte es die internationale Gemeinschaft denn wirklich ernst gemeint mit ihrer „Hilfe“, man den Wiederaufbau ihrer zerstörten Länder unterstützt hätte. Doch das Gegenteil tat man! Ganz bewusst schnitt man den Menschen ihre einzige Überlebensader ab, man zwang sie, sich auf den Weg zu machen in eine angeblich bessere Welt, nach Europa, nach Deutschland hin.
Der Schock für die wirklichen Flüchtlinge, die nun hier ankommen, nach teilweise unsäglichen Qualen, muss riesig sein, spätestens, wenn sie einige Tage in den Erstaufnahmelagern verharrten, womöglich auch schon weitergeleitet wurden in sogenannte Flüchtlingscamps, wo sie wochenlang auf Papiere, Geld-und Sachzuwendungen, auf das angestrebte, bessere Leben, warten. Hier wird ihnen kaum geholfen, jedenfalls hatten sie ganz andere Hilfen erwartet.
Es gibt nur wenige Unterschiede zu den früheren Flüchtlingslagern Jordaniens, des Jemens, der Türkei usw., denen sie gerade entronnen sind. Schon bald müssen sie feststellen, dass es leider doch kein Haus für jeden gibt, nicht einmal eine Wohnung, auch kein festes Dach über dem Kopf. Geschweige denn Frieden, Ruhe und Erholung. Nein, der Stress geht weiter, es herrscht Kampf, ums Überleben, jeder ist gegen jeden, Neid, Missgunst und Gewalt kennzeichnen Tage und Nächte. Der Schock, die Ernüchterung über das nicht enden wollende Elend ist so nachvollziehbar wie gefährlich. Denn die bittere Erkenntnis zieht Enttäuschung, Wut, Aggression nach sich, Hoffnungslosigkeit.
Viele der wirklichen Flüchtlinge haben der langen Reise ins gelobte Land Deutschland, den zahllosen Schleusern und Verbrecherbanden, ihr ganzes Gut und Geld geopfert. Nun sitzen sie hier, in Kälte, Regen, Verzweiflung und wachsendem Zorn, denn sie haben wahrhaftig nichts mehr zu verlieren. Für all diesen Zündstoff herrscht in unserem Land eine noch vergleichsweise bemerkenswerte Ruhe. So auch in den sogenannten Flüchtlingslagern. Vielleicht erfahren wir ja auch nicht die ganze Wahrheit, was da wirklich los ist, damit der „innere Frieden“ in unserem Lande, soweit man davon überhaupt noch sprechen kann, gewahrt bleiben möge. Wie lange noch?
Wer einmal auf eigene Faust versucht, in ein Flüchtlingslager zu gelangen, oder auch nur an einen Zaun zu kommen, durch dessen Maschen er einen Blick werfen, sich ein Bild machen könnte, der wird in aller Regel enttäuscht werden: Wie militärisches Sicherheitsgebiet ist alles abgeschirmt, die Einwanderer können zwar raus, aber niemand Unbefugtes kann rein. Was ist es, was wir nicht sehen sollen?
Unserer Deutschen Rabenmutter Merkel ist auch irgendwie seltsam ruhig geworden. Nachdem sie dem bestürzten Land via Talkshow vor einem Monat mitgeteilt hatte, dass es nicht in ihrer Macht läge, wie viele Menschen noch kämen, nachdem sie stur wiederholt hatte, dass Deutschlands Grenzen offen bleiben!, muss sie sich, auch in den eigenen Parteireihen, zunehmend in Deckung bringen: Brandbriefe, Drohreden, und, von außen, hunderte Klagen gegen die Politikerin persönlich.
Ein Intellektueller bezeichnete das derzeitig grenzenlose Deutschland unter der stoischen Physikerin kürzlich als „den trojanischen Esel der Nato“. Was das internationale Kriegsbündnis wohl vorhat? Wer sich die aktuellen Bilder der Flüchtlingstrecks in Fernsehen und Internet anschaut, der muss feststellen, dass seit einigen Tagen nur noch wenige der afrikanischen, jungen Männer darunter sind, wie wir sie von Beginn an gewohnt waren. Sind die, die hier wohl noch bestimmte Arbeit zu erledigen haben, bereits alle eingeschleust?
Der Deutsche Städtetag geht für 2016 von Zusatzkosten bis zu 16 Milliarden Euro für Länder und Kommunen aus, alleine für die Flüchtlingshilfe. Wohlgemerkt, nur für Deutschland. Diese Zahlen entstanden allerdings auf Grundlage der offiziellen Flüchtlingszahlen, die jedoch längst überholt sind. Denn es werden natürlich viel mehr, es hört ja nicht auf. Hätte Deutschland dieses Geld an die UN-Flüchtlingshilfe gespendet, so wären zahlreiche Menschenleben gerettet worden, Millionen Traumata und Gewalterfahrungen nicht nötig gewesen. Vor allem hätten die Menschen in ihrer Heimat oder dicht davor bleiben können, hätten sie eines Tages womöglich selbst auch wieder mit aufbauen können. Doch es darf getrost bezweifelt werden, dass dies je der Plan der Machthaber gewesen sein könnte, die über Wohl und Wehe unserer Welt sich anmaßen, zu entscheiden.
In den letzten Tagen erhalte ich zahlreiche Anrufe von Freunden und Bekannten. Sie haben Angst. Jeden Abend, wenn sie ins Bett gehe, berichtete neulich eine Kollegin, falle die Angst über sie her wie ein dunkles Ungeheuer. Der Anblick tausender Flüchtlinge, die täglich herkommen, bringe sie um den Verstand. „Es kann nicht gutgehen,“ so ihre Aussage, „wie soll dies je gutgehen? Es hört ja nicht mehr auf. Wo sollen die Menschen denn alle hin?…“ Es sind identische Sorgen, die die Menschen hierzulande haben, auch angesichts der erschöpften, ehrenamtlichen Helfer, die sich ein Ende dieser Tragödie inzwischen heiß herbeisehnen. Doch dies ist nicht in Sicht. Die Menschenflut geht weiter. Den Flüchtlingen wird nicht geholfen. Wie mag Frau Merkel wohl schlafen?
Dieser Artikel erschien zuerst in der Preussischen Allgemeinen Zeitung
Bildnachweis: Von Photo: Gémes Sándor/SzomSzed, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42990906