Game over: Vom sicheren Sterben der Massenmedien
Januar 2015
Eva Herman
Deutschlands Massenmedien sind im Ausnahmezustand. Sie verlieren täglich mehr an Akzeptanz, Ansehen und Zahlen. Wachsende Leser-und Zuschauerproteste bringen die Unzufriedenheit der Nutzer zum Ausdruck, sie verspüren immer weniger Lust, sich noch ein X für ein U vormachen zu lassen. Lügenpresse, so lautet deswegen auch das Unwort des Jahres 2014, kein Zufall.
Gemeint ist damit immer, wer sich angesprochen fühlt. Neueste Umsatzzahlen der Zeitungen belegen jetzt: Der freie Fall kann offenbar nicht mehr gebremst werden. Im Gegenteil: Von „dramatischen“ Einbrüchen mancher großer Blätter ist jetzt die Rede, von „existenzgefährdenden“ Entwicklungen. Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) ermittelt seit 1949 die Auflagenzahlen. Die Ergebnisse müssten relativ verlässlich sein, denn der Verein mit Sitz in Berlin wird „von den Medienunternehmen, den Werbungtreibenden sowie den Werbe- und Media-Agenturen in Deutschland unterhalten“, wie es heißt. Und die IVW hat jetzt Alarm geschlagen.
Schauen wir uns kurz die neu ermittelten, drastisch sinkenden Prozentwerte der bislang mächtigsten Blätter an. Da wäre das Springerblatt Bild, dessen Einfluss im deutschsprachigen Raum bislang nicht unerheblich war. Betrug die Auflage 2003 noch mehr als 4 Millionen täglich, so liegt diese Zahl aktuell bei knapp 2,1 Millionen, also fast fünfzig Prozent weniger! Sollte sich dieser Trend fortsetzen, so wird die erste Zahl vor dem Komma demnächst eine eins sein.
Und er setzt sich fort: Das aktuelle Minus im Vergleich zum Vorjahr liegt derzeit bei 9,2 Prozent. Doch auch die sogenannten seriösen, überregionalen Tageszeitungen haben echte Probleme: Die Süddeutsche Zeitung verlor erneut 4,7 Prozent, die FAZ 7,4, und die Welt knapp zehn Prozent. Auch nahezu sämtliche Regional-Zeitungen stürzen weiter ab. Im Keller sind: B.Z., Berliner Kurier, Hamburger Morgenpost, Express und Abendzeitung, sie verloren zum Teil, wie es heißt, „dramatisch“.
Diese Entwicklungen dürfen uns nicht überraschen. Selbstredend ist der Trend, dass jedermann im Internet die Informationen kostenlos erhalten kann, eine der verändernden Nutzer-Ursachen. Doch dies ist nur ein kleiner Ausschnitt des großen und ganzen Bildes. Zwar lieben es traditionelle Zeitungsleser nach wie vor, morgens beim Frühstück ihr vertrautes Blatt aufzuschlagen, dessen Druckerschwärze-Duft sich mit dem Aroma des ersten Kaffeeaufgusses wohlig vermengt und ihnen das bequeme Gefühl der weiten Distanz zu den brodelnden Ereignissen in der Welt suggeriert. Hier, am Kaffeetopf, hinter den großen Blättern versteckt, darf man sich noch geborgen fühlen. Oder?
Diese schöne Tradition greift jedoch allenfalls noch dort, wo man sicher gehen kann, dass das vorliegende Blatt unser Freund, und nicht etwa der Feind ist. Und dass wir unsere Ansichten in den Artikeln wiederfinden. Wer eher links tickt, hatte deswegen die SZ abonniert, Konservative der leichten Art bevorzugten von jeher die FAZ. Doch nicht erst seit den Offenbarungen des Udo Ulfkotte wird nun dem differenzierenden Betrachter erkennbar, dass die Inhalte der Linken und Rechten mit wachsenden Jahren immer identischer wurden, dass es kaum noch Unterschiede zu geben scheint in den politischen Einschätzungen der Journalisten. Ja, dass die aktuellen Nachrichtentexte in ihrer zuweilen sogar identischen Wortwahl eine gleichgeschaltete Vorgabe großer Agenturen zu sein scheinen, deren Aufgabe es ist, lediglich nach-zu-richten, was die eigentlichen Mächte vorgeben.
Viele Leser (und auch Zuschauer) haben diese Tatsache schon längst registriert, nur die Macher selbst scheinen immer noch nicht erkennen zu wollen: Entrüstet lehnen Sie derart lautende Vorwürfe ab, verteidigen, wo es nichts mehr zu verteidigen gibt, wo nur noch demütige Einsicht weiterhelfen könnte: Munter stoßen sie weiterhin in das politisch korrekte Horn, welches aus angelsächsischer Tradition orchestriert wird und nahezu 500 Millionen Menschen umerziehen will.
Gleichmachung auf allen Gebieten zeigen den Kurs: Alle Geschlechter sind gleich, alle Länder erhalten dieselben Voraussetzungen für gleichlautende Wirtschaftsergebnisse, ob in Nord-Ost-West-oder Südeuropa, sie haben dieselbe Währung zu benutzen, sollen sich unter nur das eine Angriffsbündnis stellen, welches sich offiziell immer noch mit der Vokabel Verteidigung schmückt. Dieser extern bestimmte Kurs, welcher das Subsidiaritätsprinzip vollends aushebelte, hat natürlich nicht mehr viel mit den jeweils spezifischen, kulturabhängigen Ansichten der unterschiedlichen Gesellschaften zu tun. Auch nichts mit deren differenzierten Zielen und Kräften jedweder individueller Art. Vielmehr vermittelt er das politische Endziel der Vermischung und damit der Schwächung ursprünglicher Ressourcen eines jeden Standes. Und zwar auf allen Ebenen.
Die zunehmend besorgten Bürger spüren es, sie suchen Hilfe, fordern Gespräche, wahre Informationen,- und: Sie müssen verzweifeln. Denn so gut wie nie werden ihnen verständliche Antworten in den Massenmedien gegeben.
Spätestens seit der Ukraine-Russland-Berichterstattung sind nun auch die Vorletzten aufgewacht. Sie spüren immer drängender: Halt, hier stimmt etwas nicht. Die öffentliche Berichterstattung weicht zunehmend ab von der eigenen Einschätzung der Menschen. Nehmen wir als Beispiel die lange Tradition der Deutschen mit Russland, man kann es Freundschaft nennen. Schon Otto von Bismarck warnte uns, niemals Krieg mit den Russen anzufangen, sondern für Frieden zu sorgen. Sehen wir uns den entsetzlichen Bürgerkrieg in der Ukraine an, betrachten wir außerdem die stringenten Ziele der US-Administration, die NATO nun auch dort zu positionieren, so brauchen wir nicht einmal Weitblick, um den bevorstehenden Krieg in Europa erkennen zu können.
So wurde der Medienkonsument letzte Woche aufgeschreckt durch Placements in der FAZ, wo sich der ukrainische Präsident Poroschenko auf einer halben Seite gegen den „russischen Aggressor und seinen Hybridkrieg“, einen angeblichen „Ethnozids“ an den Krimtataren, die euro-atlantische Integration und die Unbesiegbarkeit der Ukraine auslassen dufte. Dass all dies in dieselbe Zeit fällt wie der Beginn der neuen Militäroffensive Kiews, dass auch die FAZ-Redakteure in vorauseilendem Gehorsam das Statement Poroschenkos veröffentlichten, lässt das russische Magazin Russia Today zu recht besorgt fragen: Hat sich Poroschenko in die FAZ eingekauft?
Anderes Beispiel: Derzeit werden die letzten schlafenden Bürger geweckt: durch PEGIDA-und Anti-PEGIDA. Da ist etwas faul im Staate, das spüren nun auch die Bequemsten vor ihrem flimmernd-bunten Fernseher. Und auch, wenn die Nach-richten ihnen noch soufflieren wollen: Alles im Lot aufm Boot, das sind alles Nazis, die müssen weg, so ahnen sie doch langsam, dass dies einfach nicht mehr ganz der Wahrheit entsprechen kann.
Kürzlich musste übrigens die Schweizer Tagesschau abgebrochen werden: Der Moderatorin war beim Nachrichtenvorlesen schlecht geworden. Ist das noch ein Wunder? Manchmal muss erst der Körper reagieren, bevor der Geist begreift: Der Medienkahn säuft ab! Rette sich, wer kann.
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