Erntezeit
Oktober 2014
Eva Herman
Ich gehe durch die Welt. Die Bäume tragen buntes Laub, der Wind bläst rauer. Goldene Sonne bricht durch kupfernes Blattwerk, die Ernte ist fast eingefahren. Ich schaue in die Welt. Ist sie noch meine? Der Blick in die herrliche Natur sagt ja. Die Aussicht auf alles Menschenwerk? Fehlanzeige.
Was ist übrig von unserer schönen Welt? Was haben wir daraus gemacht? Wo sind sie, die einstigen Kindheitserinnerungen: Rauschende Wälder, blühende Landschaften, die Kleinstadt im hellen Schein der Freude über eine gelungene Ernte, Städte interessant, wachsend, aufgeschlossen für das Neue. Prickelnde, wohltuende Aufbruchsstimmung für morgige Ziele, um aufzubauen, zu erneuern, etwas zu schaffen. Was ist übrig von den Plänen? Wo sind die rosigen Zukunftsaussichten für uns, für unser Land? Was übergeben wir den Kindern? Wie erleben sie unsere Erde heute, wie fühlt sich ihr Leben an?
Die aktuellen Nachrichten: +++ Ebola kommt nach Europa. Offenbar kann niemand die Katastrophe aufhalten, scheint es. Die Nachrichtenschreiber schüren Angst, die Schlagzeilen verkünden Unheil. +++ Die Terrororganisation IS versetzt die ganze Welt in Schrecken, zündelt im Nahen Osten, droht Europa, den USA. Köpfe rollen schon, sie werden vor laufender Kamera abgeschlagen, es sind unsere Leute, Europäer, Amerikaner, die öffentlich exekutiert werden. Die Nachrichten überschlagen sich, die Bedrohungen nehmen zu. Bei den Menschen hierzulande zeigen sich Albträume, sie haben Angst +++ Die Ukraine-Krise schwelt, immer noch ringen die Großen angeblich um Lösungen. Die Bilanz bisher: Tausende Tote, zehntausende Verletzte, hunderttausende Leidende, Millionen Vertriebene. Wird es zum Krieg kommen? Zum Dritten Weltkrieg? Weil ja die Russen offenbar so stur sind, schreiben die Zeitungen, sagen die Nachrichtensprecher. Und, wie wird es werden? +++
+++ Unsere Gemeinden und Städte kollabieren: Täglich fluten tausende Flüchtlinge ins Land, sie wollen wohnen, essen, leben. Doch wohin mit ihnen? Sie sind in ihrer Art ganz anders, kennen nicht unsere Kultur, unsere Traditionen, sie bringen vielmehr ihre eigene Welt mit, die hier weiterleben soll. Kann das gutgehen? Die Nachrichtenmoderatoren schildern Symptome, die Angst schüren in der Bevölkerung. Über die Gründe sprechen sie nicht, denn dann wäre klar: Es kommt alles noch viel schlimmer. +++ Unsere Sozialkassen sind leer, Deutschland lebt auf Pump. Doch die üppigen Leistungsausschüttungen wie Kindergeld, Hartz IV und alle anderen wohltätigen Zuschüsse vom Amt steigen massiv weiter, denn immer mehr Fremden, die in ihrem eigenen Land nicht leben können oder wollen, versprach man hier Rettung. Wo soll das enden? Man muss nicht Mathematiker sein, um den Zusammenbruch zu sehen. +++ Unsere Kinder leiden: Schon früh werden sie den Müttern entrissen. Sie weinen leise, sie weinen laut, doch niemand hört ihre Stimmen. Die Mütter gehen zur Arbeit. Ihre Herzen weinen auch. Doch sie dürfen sie nicht erhören, denn dann stehen sie auf der falschen Seite, und das wollen sie nicht. +++
+++ Die Tiere auf dieser Welt werden gequält wie nie zuvor: Damit der Mensch genug zu essen hat. Sie dürfen das Tageslicht nicht sehen, werden ausgebeutet, gequält, ausgeschlachtet. Ihre Seelen werden ignoriert, übergangen, denn sie sind nur Nahrung, ihre Leiber haben dem Menschen zur Verfügung zu stehen, man verfügt über ihr Schicksal: Kalt, unerbittlich, von roher, unsagbarer Gewalt. Die Schmerzensschreie der Tiere in den Schlachthäusern verhallen ungehört: Die Kühltheken im Supermarkt bieten ihr geschundenes Fleisch feil, man sieht die Qual nicht in den fahlen Poren, man kann es knusprig braten. +++ Die Politiker streiten, sie streiten über alles. Sie arbeiten in einer Koalition, doch gehören sie nicht zusammen, sprechen unterschiedliche Sprachen. Sie versprechen, stellen in Aussicht, tarnen, täuschen, tricksen, nur, um auf der Regierungsbank zu sitzen. Das wird fürstlich entlohnt, die Zeche zahlt der Untertan. Die Politiker finden keine Lösungen mehr: Immer ist es Stückwerk, das hier füllt, um dort neue Lücken aufzureißen. +++ Immer mehr Menschen erkranken an Depressionen und Angst. Sie leiden unter Panikattacken, liegen nachts im eigenen Schweiß, das Herz rast, sie finden keine Ruhe. Angst! Das ist der neue Begleiter des Menschen. Angst, überleben zu können, Angst, bestehen zu können, Angst vor dem Leben! +++
Ich gehe durch die Welt. Sie bricht zusammen. Nur die Natur arbeitet verlässlich: Jeder neue Tag kommt, wird auf jeden Fall abgelöst von der Nacht, die Jahreszeiten zeigen die Veränderungen der Natur: das ewige Säen, Keimen, Blühen, Reifen, das Absterben, das Ende. Und den Neuanfang, im nächsten Frühling. Dann geht alles wieder von vorne los. So ist es in der Natur, die uns der Schöpfer schenkte. Er gab uns Menschen seine Gesetze. Wir leben in den Naturgesetzen, wir wissen von ihnen, sie sind tief in unserem Geist verankert. Das Gewissen ist unser Mahner, es ist das Wissen um die Gesetze. Wir wissen genau, was richtig und was falsch ist. Doch was taten wir? Wir schoben dieses unbedingt erforderliche Überlebenswissen zur Seite, wir wurden „modern“. Wer dieses Wort auf der ersten Silbe betont, sieht die Wahrheit: Unsere Welt modert, ein Prozess, der dem Zerfall stets vorausgeht!
Unsere Welt zerfällt! Wir tragen die Verantwortung. Der Mensch fehlte. Er weiß es! Die Angst, die jetzt überall emporkriecht, hat gute Gründe. Wir haben sie selbst verursacht, wir Menschen tragen die Verantwortung.
Es ist Erntezeit! Die Saat, die wir in die Erde gaben, ist aufgegangen. Wer Hafer sät, kann nicht Roggen ernten. Wer hässliche, deformierte Saatkörner in die Erde bringt, der wird nicht Schönheit erstehen lassen können. Lieblos, gedankenlos, gewissenlos, wurde unsere schöne Welt zerstört. Wir alle haben es zugelassen. Die faulen Früchte schmecken nicht, sie sind bitter. Und giftig! Sie vergiften uns nun.
Und dann sind da tatsächlich noch Menschen, denen der Zerfall gleichgültig ist. Sie finden in ihrem Kühlschrank noch zu essen, und auch ihr Fernseher funktioniert noch. Es interessiert sie nicht das Endzeitgeschrei mancher Leute, sie wollen sich von Verschwörungstheorien nicht das Leben beschweren lassen. Sie wollen, träge, bequem und faul, im Sessel liegen und dem Untergang von außen zuschauen, unbeteiligt.
Doch die Angst wird kommen, auch zu ihnen. Sie wird nicht vorsichtig an die Türe klopfen, sondern eines Tages wird sie mit Sturmesbrausen ihre kleinkarierte Welt durcheinanderbringen. Als erstes wird das Fundament wegbrechen, das doch niemals eins gewesen war. Deswegen geht es in Windeseile: Es donnert und kracht, und die Welt bricht zusammen. Entblößt, bar jeden Schutzes, werden sie dann wimmern, entsetzt über die plötzliche Gewalt. Auch dann werden sie nicht erkennen wollen, dass alles absehbar war. Und dass sie noch Zeit hatten, ihr Gewissen freizulegen, es wahrzunehmen, es als wichtigsten Motor endlich zu erkennen. Und nur noch in seinem Sinne zu handeln, zu denken und zu tun. Das Gewissen, es ist das innerste Wissen um die Gesetze, um die Gesetze Gottes. Sie wirken immer, stets, verlässlich, ewig. Nun ist Erntezeit. Halten wir uns bereit.
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